Bilanz 2024: 152 Milliardär:innen – 76’000 Kinder in der Sozialhilfe
Der aktuellen Ausgabe mit der festlich anmutenden Titelseite in Schwarz und Gold entnimmt man, dass die 300 Superreichen über ein Vermögen von 833’500’000’000 Franken verfügen. Das sind fünf Prozent – oder rund 40 Milliarden Franken – mehr als im Vorjahr. So viel wie noch nie. Das gilt auch für Anzahl der Milliardäre unter den 300 Reichsten. 152 sind es 2024. Auch dies ein Rekordwert in der 36-jährigen Geschichte der «Bilanz»-Rangliste.
Wer sich nicht nur für unvorstellbar grosse Zahlen interessiert, sondern die Menschen dahinter, kommt auch auf seine Kosten. Man begegnet Superstars wie Roger Federer, Michael Schumacher oder Robbie Williams. Allerdings fernab der Spitzenpositionen. Dort dominieren Namen nicht ganz so prominenter Familien. Respektive deren Erben. Mit einem geschätzten Vermögen von 37 – 38 Milliarden Franken führt Gérard Wertheimer die Liste an. Er ist Chanel-Erbe. Gefolgt von den Familien Hoffmann, Oeri, Duschmalé – allesamt Roche-Erben – mit 28 – 29 Milliarden Franken. Für die Gebrüder Kamprad, die Söhne des 2018 verstorbenen IKEA-Gründers Ingvar Kamprad, der zu Lebzeiten über viele Jahre die «Bilanz»-Liste anführte, reichte es mit rund 10 Milliarden Franken erstmals knapp nicht mehr in die Top 10.
Vielleicht lohnt sich gerade in dieser Zeit ein Blick auf die Menschen, die weniger privilegiert sind als die Kinder superreicher Eltern. Wie geht es Kindern, die heute in der Schweiz in Familien leben, die nicht im «Bilanz»-Rating erscheinen, sondern von Armut betroffen und auf Sozialhilfe angewiesen sind?
Legen wir die «Bilanz» beiseite. Und nehmen wir eine andere aktuelle Publikation zur Hand: «Die materielle Situation von Kindern und Jugendlichen in der Sozialhilfe», lautet die Überschrift auf der nüchtern gehaltenen, weissen Titelseite. Verfasst vom Büro BASS im Auftrag der Charta Sozialhilfe. Publiziert im Oktober dieses Jahres. Es ist die schweizweit erste Studie, die umfassend die materielle Situation von minderjährigen Kindern und Jugendlichen in der Sozialhilfe beleuchtet. Sie geht der Frage nach, inwiefern die ausgerichteten Leistungen angemessen sind, um die soziale Existenzsicherung der armutsbetroffenen Kinder und ihrer Familien zu gewährleisten. Und ob dabei kinderspezifische Bedürfnisse ausreichend abgedeckt werden.
Die Erkenntnisse stimmen nachdenklich. Im Jahr 2022 wurden rund 76’000 Kinder und Jugendliche in der Schweiz durch die reguläre Sozialhilfe unterstützt. Die Sozialhilfequote bei den unter 18-jährigen betrug 4,8 %. Dies ist mit Abstand der höchste Wert aller Altersgruppen unter 65 Jahren. Entscheidend für das Armutsrisiko von Kindern ist gemäss Studie die Familienkonstellation: Eine erhöhte Armutsgefährdung weisen Einelternhaushalte, Paarhaushalte mit drei und mehr Kindern sowie Familien mit jüngeren Kindern auf. Wenn bei den Eltern allgemeine Risikofaktoren von Armut wie ein geringer Bildungsstand dazukommt, verschärft sich das Armutsrisiko für den Haushalt und damit die Kinder zusätzlich. Es steigt das Risiko, dass die Armut oder die Sozialhilfeabhängigkeit zur nächsten Generation weitergegeben, also quasi vererbt wird.
Die Studienautoren kommen zum Schluss, «dass die aktuellen Sozialhilfeleistungen für Kinder teilweise unzureichend sind, um ihnen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten und ihre Bedürfnisse zu decken». Die 14 Empfehlungen betreffen Anpassungen im System der Sozialhilfe sowie notwendige gesetzliche Grundlagen zur Asylfürsorge, für Familien-Ergänzungsleistungen und für ein ausreichendes und erschwingliches Angebot an Kita-Plätzen.
Die Empfehlungen kann man auch als Weihnachtswunschliste von Kindern an Politiker:innen lesen. Oder als Vorsätze für unser politisches Handeln im neuen Jahr. Denn wenn auf der einen Seite Reichtum und auf der anderen Seite Armut weitervererbt werden, dann hat die Politik einiges falsch gemacht.