Gegenvorschlag für mehr Grün, weniger Asphalt und mehr Langsamverkehr!

Stadtklima-Initiativen

Dem Klimawandel ist es egal, ob man ihn ernst nimmt, ignoriert oder abstreitet, denn er findet einfach statt. Wir tragen aber alle die Folgen. Seit einigen Jahren hat die Stadtplanung erkannt, dass die Innenstädte – im wörtlichen Sinn – klimatische Hotspots sind. Es gibt einen Rahmenplan Klima für Winterthur und wir lernen, wie wichtig im Stadtraum sogenannte «Kaltluftkorridore» sind, die abends von den Höhen rings um Winterthur die frische Luft in die tagsüber erhitzte Ebene bringen.

Genau hier setzen die beiden umverkehR-Initiativen an, die kürzlich im Stadtparlament behandelt wurden. Sie sind eng miteinander verwandt, behandeln aber unterschiedliche Aspekte.

Die sog. Gute-Luft-Initiative nimmt ein Kernanliegen auf, das in diesem Zusammenhang zentral ist: die Beschattung durch Bäume. Jeder einzelne Baum zählt, und im versiegelten Stadtraum brauchen wir viele davon, ganz besonders im Strassenraum, der bis heute fast vollständig versiegelt ist.

Die sog. Zukunfts-Initiative setzt im Strassenraum selbst an. Es geht um die Veränderung des sog. «Modalsplits», d.h. einer effizienten Bewirtschaftung der Verkehrsflächen. Beide Initiativen fordern jährlich eine bestimmte Fläche, die für öV und Langsamverkehr (Velo, Fussgänger) umgewandelt werden sollen. Dazu werden sie entsiegelt und mit Bäumen bepflanzt. Die jährliche Flächengrösse wird prozentual zur gesamten Strassenfläche berechnet. In Winterthur sind das zwischen 3 und 5 Quadratkilometer!

 

Der Klimanutzen von Bäumen besteht nicht nur in der Beschattung und Kühlung, sondern auch, durch die Entsiegelung des Baumbereichs, in der Versickerungsfähigkeit des Bodens. Das Konzept der sog. «Schwammstadt» heisst, dass Regenwasser nicht einfach in die Kanalisation abfliessen soll, sondern in den Boden versickert, damit es dort gespeichert und in Trockenphasen wieder freigegeben wird. Die Bäume werden so zu klimatischen Kraftwerken im Stadtraum.

Der Strassenraum wurde für das Auto gedacht, geplant und gebaut, alle übrigen Verkehrsteilnehmer sind grundsätzlich zweitrangig. Von einem «ausgewogenen» Verhältnis der Verkehrsteilnehmenden zu reden, zementiert unter diesen Umständen die Dominanz des Autos und löst das eigentliche Problem, nämlich die ineffiziente Nutzung des Strassenraums, nicht. Im städtischen Strassenraum ist dieser Zielkonflikt unlösbar, wenn man nicht gezielt die Verkehrsanteile zugunsten des Langsamverkehrs umbauen kann – was nota bene natürlich erst den nötigen Raum für alle schafft.

 

Der Stadtrat hat die Forderungen mit seinem Gegenvorschlag in ein Mengengerüst umgewandelt, das die anzustrebenden Ziele in Quadratmetern umgewandelter Fläche pro Jahr bemisst. Damit wird der Fortschritt an die laufenden und zusätzlichen Arbeiten am Strassenkörper gekoppelt. Die Stadt St. Gallen, die beide Initiativen schon mit einem Gegenvorschlag umsetzt, verfährt genauso.

Allerdings setzt der Winterthurer Stadtrat in seinen Gegenvorschlägen weniger ambitionierte Ziele. Er argumentiert mit Ressourcen und Finanzen, die nicht zur Verfügung stünden. Dabei wird ausgeblendet, was uns die Folgen von Hitzeperioden in Städten bereits jetzt kosten und an Ressourcen verschlingen bzw. an Schäden verursachen. Eine Vollkostenrechnung ist das nicht. Es ist zwar anzuerkennen, dass sich der Stadtrat in die richtige Richtung bewegt und das Problem sehr wohl erkannt hat. Nur: Der stadträtliche Gegenvorschlag handelt nicht konsequent danach.

 

Die beiden Gegenvorschläge, die das Parlament nun mit einer klaren Mitte-Links-Mehrheit beschlossen hat, setzt deshalb höhere Ziele, als der Stadtrat sich selbst setzen will. Sie sind erreichbar, gleichzeitig ist damit ein Kulturwandel bei der Planung und Projektierung von Strassensanierungen verbunden.

Es gibt nun womöglich eine Abstimmung mit Varianten. Falls die Stadtklima-Initiativen vom Initiativkomitee zurückgezogen wird, hat der Stadtrat grundsätzlich das Recht, seinen (schwächeren) Gegenvorschlag ebenfalls in die Volksabstimmung zu bringen. Dann wären drei Varianten auf dem Tisch. Werden die Initiativen nicht zugunsten des Gegenvorschlags des Parlaments zurückgezogen, gibt es eine klare Alternative.