Kultur ist systemrelevant
So sicher wie die fallenden Blätter im Herbst sind Budgetdiskussionen, die den Wert von Kultur thematisieren. Einerseits im numerischen Sinn, andererseits geht es natürlich auch um die Frage der Relevanz der Kultur in unserer Gesellschaft. Wie in kaum einem anderen Bereich sehen sich Akteur*innen und Institutionen fortlaufend gedrängt, ihr Wirken zu legitimieren. Dabei wäre es Zeit, den Blickwinkel auf die Kultur anzupassen.
Zum einen geht es im Kulturbereich nie nur um das, was vordergründig sichtbar ist: Um das Museum, die Bühnen, das Magazin, die Kunstsammlung, die Kulturschaffenden. An ihnen hängen vielfältige Wertschöpfungsketten, einerseits von Dienstleistungen aus verschiedensten Branchen, andererseits sind sie mit ihren expliziten Bedürfnissen nach massgeschneiderten Lösungen oft Treiber für Innovationen. Die Kultur hat somit einen direkten und positiven Effekt auf die Gesamtwirtschaft. Schwächt man diese, schwächt man auch jene.
Die ganze Kreativ- und Kulturwirtschaft ist ein riesiges Labor, in dem geforscht, kreiert, geleistet wird. Der subventionierte Kulturbereich ist der Teil davon, der sich den marktwirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten entzieht – und somit auch dem Einfluss auf seinen Inhalt. Dies mag ein Stolperstein für die politische Diskussion sein, für eine unabhängige Meinungsbildung jedoch ist das von grösster Wichtigkeit.
Viele kulturelle Strömungen greifen soziale oder Tabu-Themen auf und verleihen zu wenig beachteten Bevölkerungsgruppen eine wichtige Stimme. Etwas vom wichtigsten jedoch, was Kulturschaffende und Institutionen vermitteln können, ist die Gewissheit, dass man Kultur nicht nur konsumieren oder besitzen, sondern selber auch erschaffen und sich damit auseinandersetzen kann. Das konkrete Erleben dieser Selbstwirksamkeit wirkt tief in unsere Gesellschaft zurück und macht sie resilient. Diese Resilienz ist für die Stabilität unsere Demokratie in Zeiten multipler Krisen unverzichtbar und sollte uns viel wert sein.